Mit der Änderung des Chemikaliengesetzes im November 2023 stehen Neuregelungen an. Unter anderem soll ab Januar 2026 ein zentrales Vergiftungsregister in Deutschland geschaffen werden.
»Die Dosis macht das Gift« – diese von dem Schweizer Naturwissenschaftler Paracelsus (1494 – 1541) überlieferte Grundweisheit hat bis in die heutige Zeit ihre Gültigkeit.
Der Chemie-Unfall im norditalienischen Seveso im Juli 1976 und das verheerende Unglück im indischen Bhopal im Dezember 1984 als bisher schlimmste Katastrophe in einem Chemiewerk mit über 3.000 Toten zeugen ebenso von der Gefährlichkeit chemischer Substanzen wie der Eintrag von Löschwasser in den Rhein als Folge eines schweres Brandunglücks bei der Firma Sandoz in Basel im November 1986.
Dass auch technischer Fortschritt und verschärfte Sicherheitsbestimmungen (Stichwort: Seveso.Richtlinie) im Nachgang zu den Unglücken der 70er und 80er Jahre letztlich Großschadensereignisse nicht völlig verhindern können, belegte im Juli 2021 der Chlorgas-Unfall im Chempark Leverkusen mit sieben Toten und über 30 Verletzten.
Aber auch im privaten Bereich und fernab weltweiter Medienberichte spielen Giftunfälle immer noch eine Rolle, wenn scharfe Reinigungsmittel in harmlos aussehende Getränkeflaschen umgefüllt werden oder Kleinkinder die bunte Tablette von Muttis Spülmaschinen-Entkalker als Naschwerk der heimischen Süßwarenindustrie verzehren.
Änderung des Chemikaliengesetzes
Mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des Chemikaliengesetzes vom 16. November 2023, abgedruckt im Bundesgesetzblatt Nr. 313 vom 23. November 2023, hat die Bundesregierung eine Neuregelung auf den Weg gebracht, die wegen der damit verbundenen organisatorischen Voraussetzungen am 1. Januar 2026 verwirklicht werden soll: die Schaffung eines zentralen Vergiftungsregisters.
Aktuelle Lage
Derzeit sind im Rahmen des föderalen Systems das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und parallel dazu die Giftinformationszentren (GIZ) der Länder unabhängig voneinander für das Sammeln von Informationen über Vergiftungen zuständig. Eine systematische und zentrale Erfassung sowie auch Auswertung der Daten, so die Kernkritik in der Gesetzesbegründung, findet aktuell nicht statt. Dies soll nunmehr korrigiert werden.
Zukünftige Lage
Das zukünftig beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) angesiedelte Vergiftungsregister soll dann erstmalig alle gemeldeten Vergiftungsunfälle in Deutschland zentral erfassen. Damit soll neben der zentralen Erfassung auch eine systematische Auswertung der Daten ermöglicht werden, die es in dieser Form derzeit noch nicht gibt.
Damit wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass verschiedene EU-rechtliche Vorgaben eine solche systematische Registrierung von Vergiftungsfällen vorsehen und die Bundesrepublik, wie auch alle anderen EU-Staaten, Melde- und Informationspflichten zu erfüllen haben in Fällen von überregionalen chemischen Gesundheitsgefahren.
Regelungsinhalt
Zweck des Gesetzes ist es, Mensch und Umwelt vor schädlichen Einwirkungen gefährlicher Stoffe und Gemische (vormals: Zubereitungen) zu schützen, insbesondere sie erkennbar zu machen, sie abzuwenden und ihrem Entstehen vorzubeugen.
Das Gesetz nennt dazu Kriterien für gefährliche Stoffe und Gemische. Es regelt unter anderem folgende Bereiche:
- Umsetzung der EG-Verordnung 1906/2006 (REACH),
- Umsetzung der EG-Verordnung 1272/2008 (CLP),
- Umsetzung der EU-Verordnung 528/2012 über Biozidprodukte,
- Aufgaben der Bundesbehörden bei diesen Umsetzungen,
- Mitteilungspflichten zu Stoffen,
- Ermächtigung zu Verboten und Beschränkungen sowie Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten sowie
- Durchführung von Stoffprüfungen nach den Grundsätzen der Guten Laborpraxis (GLP).
Zuständigkeiten
Auf europäischer Ebene ist die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) mit Sitz in der finnischen Hauptstadt Helsinki für die Organisation der Umsetzung des Chemikalienrechts zuständig.
Zuständig für die Zulassung von Bioziden ist die Zulassungsstelle »Biozide« der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) mit Sitz in Dortmund bzw. im Falle einer europäischen Zulassung die ECHA.
Für die Aufsicht über die Ausführung der Bestimmungen des Chemikaliengesetzes und der darauf gestützten Rechtsverordnungen sind die Behörden nach Landesrecht zuständig, also zum Beispiel in Bayern die bei den Bezirksregierungen angesiedelten Gewerbeaufsichtsämter.
Vorschriften über Gute Laborpraxis (GLP)
Mit der jüngsten Änderung des Chemikaliengesetzes werden außerdem dessen schon bestehende Vorschriften über die Gute Laborpraxis (GLP) aktualisiert und den Vorgaben und Erfordernissen der Zusammenarbeit mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der Europäischen Union angepasst.
Die GLP ist schon heute ein international anerkanntes Qualitätssicherungssystem für Sicherheitsprüfungen im Umwelt- und Gesundheitsbereich.
So wird unter anderem klargestellt, dass das BfR als GLP-Bundesstelle beim Vollzug der Vorschriften eine zentrale Rolle spielt, was zum Beispiel darin zum Ausdruck kommt, dass das BfR Überwachungsaufgaben übernimmt und in Zukunft auch die GLP-Bescheinigungen erteilt.
Quelle/Text: Dr. jur. Kurt Kreizberg
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