DGUV Information 207-007 - Zytostatika im Gesundheitsdienst Informationen zur sicheren Handhabung

Abschnitt 6.3 - 6.3 Vorbereitung und Applikation

Generell besteht während der Vorbereitung und der Applikation von Zytostatika das Risiko einer Kontamination der Beschäftigten und der Umgebung. Die folgenden Hinweise helfen onkologischen Einrichtungen dabei, Kontaminationen zu vermeiden; sie sollten dem ärztlichen und pflegerischen Personal im Rahmen der mindestens jährlichen Arbeitsschutzunterweisungen vermittelt werden.

Sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Applikation müssen Schutzhandschuhe getragen werden, die die Grundanforderungen der neuen DIN EN 16523-1 (Bestimmung des Widerstands von Materialien gegen die Permeation von Chemikalien) bzw. der bisherigen DIN EN 374-3 erfüllen. Medizinische Untersuchungshandschuhe, die die Anforderungen dieser Norm erfüllen, können ebenfalls eingesetzt werden.

g_bu_2304_as_8.jpgHintergrundinfo
Kontaminationen können unbemerkt in andere Funktionsbereiche "verschleppt" werden und dort von weiteren Personen aufgenommen werden. So wurden in einer von der BGW initiierten Studie (WIPON) Zytostatika in fast allen Funktionsbereichen von onkologischen Praxen und Ambulanzen gefunden. Dies deckt sich mit einer kanadischen Studie, bei der in einem Krankenhaus Zytostatikareste auf Gegenständen in öffentlichen Bereichen (zum Beispiel Fahrstuhl-Panel und Türklinken) gefunden wurden (Hon, C. et al., 2011). Eine weitere kanadische Studie berichtet darüber, dass Cyclophosphamid im Urin von Krankenschwestern gefunden wurde, obwohl sie damit nicht gearbeitet hatten (Ramphal, R. et al., 2014).

Folgende Punkte sollten bei der Vorbereitung beachtet werden:

  • möglichst wenig Durchgangsverkehr im jeweiligen Raum und keine Zugluft - Vermeiden Sie Hektik!

  • Arbeitsflächen für die Vorbereitung der Applikationen festlegen.

  • Ausschließlich Gegenstände und Arbeitsflächen mit leicht abwaschbaren Oberflächen verwenden.

  • Benutzte Arbeitsflächen regelmäßig reinigen beziehungsweise Einmal-Arbeitsunterlagen benutzen.

  • Zytostatikaabfälle direkt vor Ort (zum Beispiel im Vorbereitungsraum) in Sammelbehältnisse für Zytostatikaabfälle entsorgen.

  • (Sterile) Schutzhandschuhe und Schutzkittel tragen. Nach Kontamination sofort Handschuhe und Schutzkittel wechseln!

  • Beim Vorbereiten von zytostatikahaltigen Lösungen und beim Umgang mit kontaminierten Materialien gegebenenfalls Schutzbrille mit Seitenschutz tragen.

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Abb. 13
Infusionsständer im Behandlungsraum

  • Infusionen mit Infusionssystem verbinden: Infusionen müssen - soweit organisatorisch möglich - mit konnektiertem, bereits mit Trägerlösung vorbefülltem Infusionsbesteck von der Apotheke geliefert werden. Falls eine Infusion ohne konnektiertes Anschlussstück geliefert wird, ist diese an einem Arbeitsplatz abseits vom allgemeinen Stationsbetrieb (zum Beispiel im Vorbereitungsraum) mit dem Infusionssystem zu verbinden. Dazu das Infusionsbesteck mit Trägerlösung füllen, den Dorn des mit Trägerlösung befüllten und entlüfteten Infusionsbestecks langsam und zentriert durch den Einstechstutzen der Infusionsflaschen/-beutel stecken. Bei Verwendung von Infusionsflaschen den Anstichdorn von oben durch den Infusionsstopfen stechen. Bei Verwendung von Infusionsbeuteln das Dichtelement (nicht den Beutel!) festhalten und dieses in der Waagerechten mit dem Dorn anstechen. Das Belüftungsventil muss geschlossen bleiben.

  • Onkologische Oralia (Zytoralia) sollen nicht gemörsert, geteilt oder geöffnet werden. Müssen Tabletten gebrochen werden, so soll dies nur an einer vorhandenen Teilungskerbe und in einem Druckverschlussbeutel erfolgen.

  • Bei der Vorbereitung von Applikationen über Ernährungssonde sollten bevorzugt Lösungen eingesetzt werden. Das Zerkleinern von Tabletten, Kapseln oder das Verwenden von Pulvern sollte nur in Ausnahmefällen erfolgen, denn dabei besteht die Gefahr der Freisetzung und Resorption von zytostatikahaltigen Stäuben.

  • Zytostatikahaltige Arzneimittel getrennt von anderen Medikamenten bereitstellen und getrennt transportieren; Verwendung von auslaufsicheren, gekennzeichneten und leicht zu reinigenden Behältern (zum Beispiel Kunststoffboxen) oder Tabletts mit hoher Kante.

Folgende Punkte sollten Sie bei der Applikation beachten:

  • Entnahme von Tabletten, Kapseln oder Dragees aus der Originalverpackung erst unmittelbar vor der Verabreichung; dabei Handschuhe tragen.

  • Nicht überzogene Tabletten sollten wegen der Abriebgefahr direkt in (Einmal-)Medikamentenbecher verteilt werden, aus denen diese - ohne sie anzufassen - entnommen werden können.

    Danach den leeren Becher entsorgen. Selbstständige Patienten und Patientinnen können die Tabletten auch unmittelbar vor Einnahme selbst aus der Blisterverpackung entnehmen und sich anschließend die Hände waschen.

  • Tragen von Schutzhandschuhen sowie gegebenenfalls vorne geschlossenem Kittel. Insbesondere bei der Dekonnektion des Infusionssystems auf geeignete Dienstkleidung achten (zum Beispiel Überwurfkittel, Kasack).

  • Geschlossene Infusions- und Instillationssysteme mit sicheren Verbindungs- und Überleiteinheiten (zum Beispiel Luer-Lock-Anschlüsse) einsetzen.

  • Infusionen, Injektionen und Instillationen über einer saugfähigen und nach unten undurchlässigen Arbeitsunterlage (zum Beispiel kleine Einmal-Krankenunterlage) verabreichen.

  • Befüllen des Infusionssystems mit Trägerlösung (zum Beispiel NaCl 0,9 %) bereits bei der Zubereitung in der Apotheke. Falls dies wegen des Produktschutzes im Einzelfall nicht möglich ist, sollte das Infusionssystem mit der jeweiligen Trägerlösung (ohne Zytostatika) vor der Verabreichung der Infusion vorgefüllt und entlüftet werden. Nachdem die Verschlusskappe am Kanülenanschluss wieder aufgesetzt und der Tropfenregler ganz zugedreht ist, das befüllte Infusionssystem mit der Zytostatika-Infusion verbinden. Die Infusion leerlaufen lassen und anschließend mit Trägerlösung nachspülen, dabei ein "Umstecken" vermeiden, zum Beispiel durch Verwendung verzweigter Infusionssysteme. Nach der Verabreichung das Infusionssystem über einer saugfähigen und nach unten undurchlässigen Unterlage mithilfe von zwei Tupfern vom Zugang diskonnektieren.

  • Falls eine laufende Chemotherapie unvorhersehbar abgebrochen werden muss: bei der Diskonnektion des Infusionssystems möglichst Ruhe bewahren, um eine unbeabsichtigte Freisetzung von Zytostatika zu vermeiden.

  • Die leeren Infusionsbehältnisse (Flaschen, Beutel) und das Infusionssystem nicht voneinander trennen, sondern komplett entsorgen.

  • Infusionsständer und Infusionspumpen können bei der Applikation verschmutzen. Der Einsatz wandmontierter Infusionsständer kann dabei helfen, die Verschleppung von Substanzresten zu reduzieren. Die benutzten Geräte müssen regelmäßig (zum Beispiel nach jeder Gabe) gereinigt werden; dabei sind Schutzhandschuhe zu tragen.

  • Spritze und Kanüle nach Injektion nicht trennen, sondern in entsprechenden Kanülenabwurfbehältern komplett entsorgen - kein Recapping.

  • Bei einer Kontamination der Schutzhandschuhe diese sofort umgekehrt ausziehen und in den Zytostatikaabfall entsorgen.

  • Notfall-Set ("Spill-Kit") bereithalten für den Fall der unbeabsichtigten Freisetzung und Verunreinigung. Der Inhalt des Notfall-Sets wird in Kapitel 6.5 beschrieben.

Spezielle Applikationsverfahren

Bei bestimmten Applikationsformen, wie zum Beispiel der Blaseninstillation, der Peritonealinstillation, der transarteriellen Chemoembolisation oder der Druck-Aerosolchemotherapie (PIPAC), muss die persönliche Schutzausrüstung in Abhängigkeit von der Kontaminationsgefahr festgelegt werden (Schutzhandschuhe, Schutzbrille, langärmeliger Kittel mit Bündchen, Schürze, ggf. steril).

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Risiko Nadelstich
Sofern von einem Infektionsrisiko auszugehen ist, das nicht durch organisatorische oder persönliche Maßnahmen verhindert werden kann, sind vorrangig Sicherheitsgeräte einzusetzen, um Nadelstichverletzungen zu vermeiden, wenn immer dies technisch möglich ist (siehe TRBA 250, Ziffer 4.2.5 Abs. 4 Nr. 3).

Mehr Informationen gibt es hier:
DGUV Information 207-024 "Risiko Nadelstich".

Bei der Durchführung der hyperthermalen intraperitonealen Chemoperfusion (HIPEC) empfiehlt sich als persönliche Schutzausrüstung für den Chirurgen: Schutzbrille mit Seitenschutz oder Operationsschutzmaske mit Gesichtsschirm, OP-Kittel aus wasserabweisendem Material, ggf. Stulpen aus wasserdichtem Material, Schutzhandschuhe; bei Manipulationen im offenen Bauchraum ggf. zwei Paar Handschuhe übereinander (Double Gloving) und Atemschutz (FFP-3-Maske).