DGUV Information 250-010 - Eignungsuntersuchungen in der betrieblichen Praxis

Abschnitt 2 - 2 Eignungsbeurteilungen und ihre Rechtsgrundlagen

Eignungsbeurteilungen bedürfen einer Rechtsgrundlage.

2.1.1
Eignungsbeurteilungen auf der Basis spezieller Rechtsvorschriften

Eine Eignungsbeurteilung ist zulässig, wenn ihre Durchführung in einer speziellen Rechtsvorschrift auf gesetzlicher Grundlage ausdrücklich vorgeschrieben ist. Dafür hat der Gesetz- und Verordnungsgeber in Bezug auf bestimmte Personengruppen und Arbeitsbereiche, in denen eine besondere Verantwortung für Dritte zu tragen ist, die rechtliche Grundlage geschaffen, z. B. für Pilotinnen und Piloten, Busfahrerinnen und Busfahrer oder Triebfahrzeugführerinnen und -führer. So finden sich u. a. in den §§ 11 Abs. 9, 12 Abs. 6 FeV und § 5 Abs. 1 Nr. 3 TfV durch Gesetz bzw. Rechtsverordnung vorgeschriebene Eignungsbeurteilungen, ohne deren Durchführung eine Ausübung der fraglichen Tätigkeit nicht erfolgen darf.

ccc_3423_as_1.jpgBeispiele für normative Rechtsgrundlagen für Eignungsuntersuchungen
  • Berufskraftfahrer, die Taxi, Bus oder LKW fahren (§§ 11 Abs. 9, 12 Abs. 6 FeV, § 48 Abs. 4 Nr. 3 FeV iVm Anlage 5 und 6 FeV)

  • Piloten (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 LuftVG iVm § 32 LuftVG und § 21 LuftPersV sowie der VO (EU) 1178/2011 der Kommission vom 3.11.2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt)

  • Flugsicherungspersonal (§ 7 FSPersAV), VO (EU) 2015/340

  • Betriebsbedienstete im Betrieb der Straßenbahn (§ 10 Abs. 2 BOStrab)

  • Seeleute an Bord von Kauffahrteischiffen, die die Bundesflagge führen (§ 12 Abs. 1 und 6 SeeArbG iVm § 3 ff. MariMedV) oder

  • Triebfahrzeugführer (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 TfV), Tätigkeiten nach § 42 Abs. 1 a und 1 b IfSG aufgrund § 43 IfSG

Aus der bloßen Formulierung allgemeiner Eignungsanforderungen in Rechtstexten (z. B. in Unfallverhütungsvorschriften oder Dienstvorschriften) lässt sich hingegen keine Rechtsgrundlage für Eignungsbeurteilungen ableiten, da diese Vorschriften nicht hinreichend bestimmt die Durchführung einer Eignungsbeurteilung normieren, sondern lediglich vorschreiben, dass der Unternehmer bzw. die Unternehmerin nur geeignete Personen beschäftigen darf.

2.1.2
Eignungsbeurteilungen auf der Basis arbeitsrechtlicher Rechtsgrundlagen

Soweit gesetzliche Regelungen nicht entgegenstehen, können die Tarifvertragsparteien durch eine tarifvertragliche Regelung (z. B. § 3 Abs. 4 TVöD) eine arbeitsrechtliche Rechtsgrundlage für die Durchführung einer Eignungsbeurteilung schaffen unter der Voraussetzung, dass der verfassungsmäßige Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird (siehe Kapitel 3).

Gleiches gilt für die Regelung von Eignungsbeurteilungen in Betriebsvereinbarungen. Hierbei ist § 75 BetrVG zu beachten. Dazu gehören insbesondere der Schutz und die Förderung der freien Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.

Unter der Voraussetzung der Verhältnismäßigkeit können auch die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung im Arbeitsvertrag eine Rechtsgrundlage für die Durchführung der Eignungsbeurteilung begründen. Derartige Vereinbarungen unterliegen zudem einer gesetzlichen Angemessenheitskontrolle (§ 307 Abs. 1 BGB). Dadurch wird eine gerichtliche Überprüfbarkeit ermöglicht, ob die Vertragsklauseln die oder den Beschäftigten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Auf Regelungen zu obligaten Eignungsbeurteilungen im Rahmen von Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen ist § 307 Abs. 1 BGB nicht anwendbar (§ 310 Abs. 4 BGB).

Sollen Eignungsbeurteilungen aufgrund einer arbeitsrechtlichen Rechtsgrundlage in zulässiger Weise durchgeführt werden, so ist zudem erforderlich, dass Beschäftigte rechtswirksam hierin einwilligen. Maßstab für die Rechtmäßigkeit der Einwilligung sind Art. 4 Nr. 11 und Art. 7 DS-GVO sowie § 26 Abs. 3 S. 2 iVm § 26 Abs. 2 BDSG, da es sich bei Gesundheitsdaten um eine besondere Kategorie personenbezogener Daten i. S. d. Art. 9 Abs. 1 DS-GVO handelt.

Vor Eignungsuntersuchungen müssen die Bewerberinnen und Bewerber vorab darüber informiert werden, worauf sich die Untersuchung und die Einwilligung im Einzelnen erstrecken soll, da eine wirksame Einwilligung der Beschäftigten nur möglich ist, wenn sie deren Tragweite erfassen können.

Die Durchführung einer Eignungsbeurteilung setzt arbeitsplatzbezogene Kenntnisse zu Gefährdungen und Anforderungen in Verbindung mit der konkreten Tätigkeit voraus. Diese haben in erster Linie Betriebsärztinnen und Betriebsärzte. Die Vornahme durch andere Ärzte bzw. Ärztinnen ist ebenfalls möglich, soweit ihnen die Anforderungen an die Tätigkeit bekannt sind und sie diese beurteilen können.