Abschnitt 6.2 - 6.2 Gefahrenquelle vermeiden/beseitigen/reduzieren
Schall, der gar nicht erst entsteht, braucht auch nicht gemindert zu werden. Daher sind Arbeitsverfahren und Arbeitsmittel bereits in der Planung so auszuwählen, dass am besten kein, zumindest aber weniger Lärm entsteht. Dazu müssen alternative Arbeitsverfahren oder Arbeitsmittel gesucht oder die Eigenschaften der Lärmquelle konstruktiv verändert werden.
6.2.1
Alternative Arbeitsverfahren
Durch die Wahl lärmarmer Arbeitsverfahren kann die Gehörgefährdung erheblich gesenkt werden. Die Bedeutung lärmarmer Arbeitsverfahren wird dadurch unterstrichen, dass alternative Arbeitsverfahren in der LärmVibrationsArbSchV an erster Stelle der technischen Maßnahmen genannt werden.
Selbstverständlich ist bei der Auswahl lärmarmer Arbeitsverfahren zu berücksichtigen, ob die Geräuschminderung mit sicherheitstechnischen Nachteilen verbunden ist.
6.2.2
Arbeitsmittel
Alternative Arbeitsmittel
Die Hersteller von Maschinen müssen in der Betriebsanleitung die Emissionskennwerte angeben (siehe Abschnitt 5 "Grundlagen der Geräuschemission"). Bei der Beschaffung neuer Maschinen sind diese Kennwerte der einzelnen Maschinen gegenüberzustellen und die Maschine mit dem jeweils niedrigsten Kennwert auszuwählen.
Konstruktive Maßnahmen
Lärmminderungsmaßnahmen an der Schallentstehungsstelle müssen im Allgemeinen schon beim Hersteller von Maschinen, Geräten usw. getroffen werden, möglichst schon in der Planung.
Zum Handwerkszeug eines jeden Konstrukteurs sollte dazu die VDI-Richtlinie 3720 gehören. Nachfolgend sind einige Grundprinzipien zusammengestellt.
Vermieden werden sollten:
der Zusammenstoß fester Körper
hohe Drehzahlen bzw. Umfangsgeschwindigkeiten
hohe Strömungsgeschwindigkeiten
hohe Beschleunigungen und Verzögerungen
Verdichtungsstöße bzw. plötzliche Druckwechsel
hohe Reibungskräfte
pulsierende Antriebskräfte
Unwuchten
Resonanzen
zu große Fertigungstoleranzen (Lagerspiele)
Einsatz von Werkstoffen mit geringer innerer Dämpfung
große Oberflächenrauigkeit
Maßnahme Werkstoff/Bauelement | Einsatzmöglichkeiten | Quellenangaben |
---|---|---|
Auswerfer - mechanisch | Ersatz für Werkstücktransport mit Druckluft | VDI 3720 Blatt 2 |
Mehrloch-Druckluftdüsen | Ausblasen und Reinigen mit Druckluft | BGI/GUV-I 792-030 Abschnitt 3.1 BGI 680, BGI 861 |
Hämmer - rückschlagfrei | allgemein | BGI/GUV-I 792-030 Abschnitt 3.3 BGI 796 |
Sägeblätter | Holz- und Metallbearbeitung | BGI/GUV-I 792-030 Abschnitt 3.4 |
Schalldämpfer | Dämpfung des Luftaustrittes | BGI/GUV-I 792-030 Abschnitt 2.7 |
Schleifscheiben - lärmarm | Schruppschleifen | BGI/GUV-I 792-030 Abschnitt 3.2 BGI 760 |
Schnittschlagdämpfer | Schnittgeräusch an Pressen dämpfen | BGI/GUV-I 792-030 Abschnitt 2.6 |
Schrauber - lärmgemindert | Montage | BGI 793 |
Verbundblech | Entdröhnen von Luft- und Körperschall | BGI/GUV-I 792-030 Abschnitt 2.4 |
Bild 6-6: Maßnahmen beim Betreiber
Weitere Lösungsmöglichkeiten bietet die VDI-Richtlinie. Wegen der Vielfalt der Möglichkeiten, den Lärm an der Entstehungsstelle zu mindern, kann hier nicht auf Einzelheiten eingegangen werden.
Zahlreiche Maßnahmen lassen sich jedoch auch beim Betreiber durchführen:
Weit verbreitet sind in den Betrieben Druckluftdüsen zum Reinigen und Kühlen von Werkzeugen und Werkstücken und zum Auswerfen und Transportieren von Werkstücken und Abfallmaterial. Werden hier Mehrlochdüsen statt Einlochdüsen eingesetzt (Bild 6-7), ist eine Minderung der Geräuschabstrahlung aufgrund geringerer Wirbelbildungen und verbesserter Strahlrichtwirkung möglich.
Neben der Betrachtung des Geräuschpegels ist dem Anwender auch wichtig, welche Blaskraft zur Verfügung steht.
Bei der Geräuschpegelmessung wird an einem Werkstück mit scharfen Kanten, Bohrungen, Innengewinden und Sacklöchern das Reinigen des Werkstücks simuliert. Der Abstand zwischen dem Pegelmessgerät und dem Werkstück wird konstant gehalten und ist auch bei allen untersuchten Blaspistolen gleich.
Mithilfe einer Waage wird die Blaskraft der Düse bestimmt. Dazu wird in einem festgelegten Abstand senkrecht von oben auf den Waageteller geblasen und der angezeigte Wert abgelesen.
Zu den Maßnahmen, die die Entstehung des Schalls an der Entstehungsquelle unterbinden, gehört auch die Verhinderung, dass Körperschall als Luftschall von Oberflächen abgestrahlt wird (Bild 6-8).
Folgende konstruktive Möglichkeiten bieten sich an:
abstrahlende Oberflächen möglichst klein halten
abstrahlende Flächen lochen (ab 20 % Lochanteil)
Abstrahlflächen biegeweich ausführen
Steifigkeit vergrößern durch dickere Wände, Rippen usw.
Dämpfungsmaterial aufbringen (entdröhnen)
Zusatzmassen anbringen
schwingende Teile fest einspannen
Trennelemente zwischen Schallquelle und abstrahlender Fläche einbauen
Werkstoffe mit hoher innerer Dämpfung (Grauguss, Verbundblech, Kunststoff) verwenden
doppelschalige Ausführung von Trennschichten und Ausfüllung der Zwischenschicht mit Absorptionsmaterial
Schalldämpfer an Luftaustrittsöffnungen anschließen bzw. Öffnungen schließen oder möglichst klein halten
6.2.3
Kombinationen von Lärmminderungsmaßnahmen
In den meisten Fällen reicht eine einzelne Maßnahme zur Lärmminderung nicht aus. Erst die Kombination von mehreren Maßnahmen verspricht Erfolg. Am Beispiel von Pressen, häufig Hauptlärmquellen in den Betrieben, werden die Primärmaßnahmen aufgezeigt, die sich in der Praxis bewährt haben. Diese Beispiele zeigen auch, dass die Schallarten, deren Entstehung und Minderung nicht immer getrennt werden können. Wichtig ist jedoch, dass zunächst die Hauptlärmquelle gemindert wird.
Eine weitere Senkung des Geräuschpegels an Pressen bieten Sekundärmaßnahmen, wie Kapselungen. Insgesamt wird die Wirkung von Kapselungen verbessert, wenn durch Primärmaßnahmen der Schall so weit wie möglich zuvor abgebaut wird.
Lärmquelle | Maßnahmen | Quellenangabe |
---|---|---|
Schaltgeräusche | Geplante Instandhaltung der Lager- und Führungsspiele, Nachstellen von Kupplung und Bremse, Teilkapselung von Kupplung und Bremse | VDI 3752 Blatt 1 BGI 789 |
Schalldämpfer | Auswahl geeigneter Schalldämpfer (Selbstreinigung beachten) | ZH 1/457 |
Leerlaufgeräusche | Überwachung des Verschleißes, Teilkapselung des Antriebs und des Getriebes | BGI/GUV-I-792-030 Abschn 2.1 |
Schutzverkleidungen | Einsatz entdröhnter Bleche, Vermeidung starrer Verbindungen | BGI/GUV-I 792-030 Abschn. 2.4 |
Lastgeräusche Schnittschlag | Zeitliche Dehnung der Belastungsänderung Einsatz von Schnittschlagdämpfern | VDI 3720 Blatt 2 VDI 3752 Blatt 1 BGI/GUV-I 792-030 Abschn. 2.6 |
Werkzeug | Dach- oder Schrägschnitt, Stufen- oder Wellenschnitt, Minimierung des Schneidspaltes und der Eintauchtiefe | VDI 3720 Blatt 2 |
Aufstellung/Fundament | Schwingungsisolierte Aufstellung der Presse | VDI 2062 Blatt 2 BGI/GUV-I 792-030 Abschn. 2.6 |
Hydraulik | Installation von Schläuchen statt Rohrleitungen, lärmarme Aufstellung der Hydraulikaggregate und Teilkapselung | VDI 3733 BGI 789 |
Transportgeräusche | Vermeidung schlag- oder stoßartiger Bewegungen | VDI 3759 |
Ausblasgeräusche | Einsatz von Mehrlochdüsen gegenüber Einlochdüsen, Minimierung des Abstandes der Düse vom Werkstück, Einsatz von Impulsauswertern, Ersetzen der Druckluftdüsen durch mechanische Auswerfer | BGI 680 BGI 681 |
Rinnen, Rutschen, Trichter | Einsatz von entdröhntem Blech oder Verbundblech, Rollgang aus Kunststoffrollen, Ersetzen der Vibrierförderrinnen durch elastische Transportbänder oder Magnetförderbänder | VDI 3759 VDI 3720 Blatt 2 |
Behälter | Container aus Drahtgewebe oder Lochblech statt aus Vollblech, Einsatz von Kunststoff-Prallbrettem, Abdecken der Behälter mit geschlitzten Deckeln, Verringerung der Fallhöhe durch die Bereitstellung von Hubtischen | VDI 3720 Blatt 2 |
Vorschubapparate | Minderung des Geräusches beim Zusammenschlagen und Öffnen der Klemmbacken von Zangenvorschüben durch den Einsatz von Kunststoffzwischenlagen, Einsatz von Walzenvorschüben, Ersatz der festen Anschläge durch das Anbringen von Dämpfern aus Kunststoff | BGI/GUV-I 792-030 Abschn. 2.6 VDI 3720 |
Coilführung | Dämpfung der seitlichen Führung durch das Anbringen abriebfester Kunststoffbeläge, Rollenführung statt seitlicher U-Profile | BGI/GUV-I 792-030 Abschn. 2.6 VDI 3720 |
Bild 6-14: Primärmaßnahmen zur Lärmminderung an Pressen