Die neue europäische Chemikalienpolitik (REACH) und das internationale Einstufungs- und Kennzeichnungssystem (GHS/CLP) sind die Herausforderungen, denen sich Unternehmen zurzeit stellen müssen. Diese Aufgaben lassen sich nur vorschriftenkonform und zügig erledigen, wenn ein funktionierendes Gefahrstoffmanagement vorhanden ist.
1. Überblick verschaffen per Bestandsaufnahme
Bevor ein Gefahrstoffmanagementsystem eingeführt werden kann, muss sich der Betrieb einen Überblick darüber verschaffen, welche Gefahrstoffe im Betrieb auftreten und eingesetzt werden. Zu dieser Gefährdungsbeurteilung sind Unternehmen nach § 7 Gefahrstoffverordnung verpflichtet. Alle ermittelten gefährlichen Stoffe werden im Gefahrstoffverzeichnis zusammengefasst. Dazu gehören Chemikalien, gefährliche Produkte (Zubereitungen) und Gase. Zu berücksichtigen sind auch Gefahrstoffe in Geräten (Erzeugnisse), wenn bei der Tätigkeit Kontakt mit den Gefahrstoffen möglich ist. Lager und Lagerräume sollten separat erfasst werden, da hier besondere Regelungen gelten. Stoffe und Produkte, die der Entsorgung zugeführt werden sollen, brauchen nicht erfasst werden.
2. Sicherheitsdatenblätter prüfen und Gefahrstoffe freieben
Sicherheitsdatenblätter dienen dazu, sicherheitsbezogene Informationen von Gefahrstoffen zu erfassen und weiterzugeben. Lieferanten sind verpflichtet, Sicherheitsdatenblätter für ihre Produkte zur Verfügung zu stellen. Das gilt bereits mit der ersten Lieferung und später bei allen wesentlichen Änderungen. Das Sicherheitsdatenblatt muss in sich logisch, plausibel und die Angaben zur Einstufung und Kennzeichnung, Schutzausrüstung, Ersten Hilfe, Brandschutz, Lagerung, Entsorgung und Transport nachvollziehbar sein. Nur so kann ein Sicherheitsdatenblatt zum Schutz der Beschäftigten im Betrieb einen wertvollen Beitrag leisten. Die Plausibilitätsprüfung setzt Fachkunde und viel Erfahrung voraus.
Anschließend muss der Stoff oder das Produkt für den Umgang im Betrieb freigegeben werden. Ist das Sicherheitsdatenblatt plausibel, kann die stoffliche Freigabe erfolgen. Zur tätigkeitsbezogenen Freigabe muss eine Gefährdungsbeurteilung mithilfe des Sicherheitsdatenblattes im Arbeitsbereich durchgeführt werden. Hinweise zur Handhabung sind vom Hersteller im Sicherheitsdatenblatt in Kapitel 7 angegeben. Die aus den produktspezifischen Eigenschaften und der Einstufung und Kennzeichnung abzuleitenden Schutzmaßnahmen sind gemäß der Gefahrstoffverordnung (§8 bis §11) zu treffen. Werden die kommuniziert und eingehalten, kann der Stoff oder das Produkt tätigkeitsbezogen freigeben werden.
3. Systemauswahl für das Gefahrstoffmanagement auswählen
Damit diese aktuellen und validierten Informationen nicht wieder in alten Ordnern verstauben, empfiehlt sich jetzt eine strukturierte Erfassung in einem Gefahrstoffmanagementsystem (GMS). Die Entscheidung, die jetzt getroffen werden muss, sollten Sie nicht allein treffen. Konsultieren Sie die IT-Abteilung und weitere Fachabteilungen.
Brauche ich also eine Datenbank oder genügt mein oft bewährtes Tabellenkalkulationsprogramm? Die Antwort ergibt sich in erster Linie aus den Fragen, die Sie an Ihr Gefahrstoffmanagement stellen wollen. Für das „Gefahrstoffverzeichnis nach Vorschrift" finden Sie mit einer Tabellenkalkulation sicher eine einfache, kostengünstige Lösung.
Bei mehr als 20-30 Gefahrstoffen in Ihrem Betrieb lohnt es sich, über eine datenbankgestützte Anwendung nachzudenken. Gerade vor dem Hintergrund von REACH kann es von Vorteil sein, vorab zu wissen, welche Produkte z.B. Inhaltsstoffe enthalten, für die Einschränkungen oder gar Verbote in der Pipeline sind. Dieses Beispiel zeigt schon die erste wichtige Anforderung an Ihre neue Datenbank: Sie sollten auf Ebene der Inhaltstoffe auswerten und abfragen können.
4. Testphase: die erste Fahrt
Damit das Gefahrstoffmanagement in der Unternehmenspraxis funktioniert und vor allem genutzt wird, kommt es entscheidend auf die Qualität der Inhalte an. Sorgen Sie unbedingt für aktuelle und vollständige Daten! Ein System, das die Informationen nicht enthält, die gerade benötigt werden, in dem Daten zwar gefunden werden, aber unvollständig, nicht plausibel oder nicht aktuell sind, wird nie akzeptiert werden. Nur Systeme, die umfassend und aktuell sind, haben eine Chance, von den Nutzern akzeptiert zu werden.
5. Implementierung: Land in Sicht
Endlich haben die Fachkraft für Arbeitssicherheit und der Betriebsarzt einen Überblick über alle eingesetzten Gefahrstoffe. Idealerweise stellt das System für diese Anwender Tabellen bereit, damit sie individuelle Fragestellungen bearbeiten und beantworten können. Außerdem lassen sich so prima Ziele formulieren. Zum Beispiel: Der Betrieb setzt keine giftigen Gefahrstoffe ein, keine krebserregenden oder keine, die das Kind im Mutterleib schädigen können. Im nächsten Schritt sollen nur noch Reiniger ohne Gefahrstoffe eingesetzt werden.
Wichtig ist das Wissen über die Gefahrstoffe, aber auch im Zusammenhang mit REACH. Sie dürfen im Betrieb Gefahrstoffe nur für solche Verwendungen einsetzen, die der Lieferant registriert hat.
Autor: Dipl.-Ing. Joachim Boenisch, Geschäftsführer der eska Ingenieurgesellschaft mbH, Hamburg
Dies ist eine Kurzfassung: Den vollständigen Artikel finden Sie im arbeitsicherheit.journal (8/2010). Sie interessiert der ganze Artikel? Hier in der Bibliothek anmelden und weiterlesen >>
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