Fachbeitrag  Recht und Urteile, Arbeitssicherheit  

Versicherungsschutz auf Dienstreisen mit privatwirtschaftlichen Elementen

Versicherungsschutz auf Dienstreisen?
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Dienstreisen gehören für viele zum Arbeitsalltag. Aber wie verhält es sich, wenn sie aus einem Mix von dienstlichen und privaten Aktivitäten bestehen? 

Spätestens mit der durch die Corona-Pandemie noch verstärkten Verbreitung der Arbeit im Homeoffice hat sich bei Beschäftigten und Arbeitgebern die Erkenntnis verstärkt, dass besonders dann, wenn Arbeit und Privatleben mehr oder weniger nahtlos ineinander übergehen und nicht durch die Fahrt vom Büro in die eigenen vier Wände eine Zäsur erfahren, rechtliche Probleme in der Unfallversicherung entstehen können.

Insbesondere, wenn Handlungsabläufe sowohl dem (versicherten) Arbeiten als auch sonstigen (unversicherten) privatwirtschaftlichen Aktivitäten zurechenbar waren, stellte sich lange Zeit die von den Sozialgerichten bisweilen sehr unterschiedlich beantwortete Frage nach dem Schutz der Beschäftigten in der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV). 

Die im Juni 2021 vom Gesetzgeber vollzogene Erweiterung des Rechtsrahmens in § 8 Abs. 1 Siebtes Sozialgesetzbuch (SGB VII) auf dienstliche Tätigkeiten im Haushalt der Versicherten (siehe dazu: »Wegeunfälle im Homeoffice nunmehr abgesichert«) haben insofern eine Verbesserung gebracht, aber keinen vollständigen Lückenschluss. 

Weiterhin mit vielen Fragezeichen versehen ist der Schutz der GUV auf Dienstreisen, zumal wenn diese in der realen Durchführung nicht nur aus rein arbeitsrechtlichen Elementen, sondern aus einem zeitlichen und inhaltlichen Mix von dienstlichen und privatwirtschaftlichen Aktivitäten bestehen. Die Berufsgenossenschaft (BG) Rohstoffe und chemische Industrie hat im Sommer 2023 einen Leitfaden formuliert, dessen wesentliche Inhalte sich wie folgt darstellen: 

Definition der »Dienstreise«

Der Begriff der »Dienstreise« ist wie viele andere Begriffe im Recht der GUV (SGB VII) nicht gesetzlich definiert. Der Schutz der GUV basiert auf einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Ob ein Schadensereignis auf einer Dienstreise diesem Beschäftigungsverhältnis zuzuordnen ist, unterliegt dann letztlich der Sachverhaltsaufklärung durch die Sozialgerichte. 

Versicherte Aktivitäten

Zu unterscheiden ist zwischen Betätigungen, die mit der betrieblichen Tätigkeit (sonst wäre es ja keine »Dienst«reise) in einem inneren Zusammenhang stehen und deshalb versichert sind, zum Beispiel die An- und Abreise zum Kundengespräch einschließlich Ein- und Auschecken an der Hotelrezeption), das Kundengespräch selbst sowie der Besuch von Seminaren und Messeständen und solchen Verrichtungen, bei denen Beschäftigte sich außerhalb einer solchen inneren Beziehung zu ihrem Unternehmen befinden, wie etwa bei der Nahrungsaufnahme, der Körperpflege, Ruhezeiten sowie der Freizeitgestaltung (Kinobesuch am Abend). 

Beförderungsmittel

Versicherte Beschäftigte sind völlig frei in der Wahl ihres Beförderungsmittels auf der Dienstreise. Dies gilt auch dann, wenn der Mitarbeiter im eigenen Pkw anreist, wenngleich der Arbeitgeber nur die Kosten einer Bahnfahrkarte erstattet. GUV-Schutz besteht für alle Unfälle, die sich aus der Zurücklegung des Weges ergeben. Wie bei den Wegeunfällen entfällt aber der Versicherungsschutz bei privat motivierten Umwegen (Kind wird zur Schule gebracht) oder Unterbrechungen (Stopp am Kiosk, um Reiseproviant zu kaufen). 

Spezielle Gefahrensituationen

Der Grundsatz, wonach alle privaten Verrichtungen außerhalb des GUV-Schutzes liegen, wird – worauf die BG Chemie hinweist – durchbrochen, wenn der Beschäftigte dabei anderen Gefahren als in seiner gewohnten heimischen Umgebung ausgesetzt ist und die Dienstreise der Grund für diesen Aufenthalt in der »Gefahrenzone« hergibt. 

So hat die Rechtsprechung einen Ursachenzusammenhang und damit den Versicherungsschutz bejaht bei:

  • dem Sturz aus dem Fenster des Hotelzimmers infolge eines Hotelbrandes sowie
  • der Verletzung an einem schadhaften Waschbecken im Hotelzimmer. 

Gemischte Tätigkeiten 

Von »gemischten Tätigkeiten« ist dann die Rede, wenn dienstliche und private Tätigkeiten sich nicht streng voneinander trennen lassen. Sie stehen dann unter GUV-Schutz, wenn die Tätigkeit wesentlich, aber nicht notwendig überwiegend betrieblichen Interessen diente. Entscheidend ist, ob die Tätigkeit unterblieben wäre, hätte es den betrieblichen Anlass nicht gegeben. 

Rahmenprogramme und Incentive-Reisen 

Ein juristisches »Minenfeld« sind, worauf die BG Chemie warnend hinweist, Rahmenprogramme zu dienstlichen Veranstaltungen und »Belohnungsreisen« zur Mitarbeitermotivation. Hier kommt es entscheidend auf die Programmgestaltung an und die Frage, ob hier eine Teilnahme-Erwartung des Arbeitgebers dahintersteht oder der einzelne Beschäftigte Freiräume hatte, eigenständig darüber zu befinden, ob und wie er sich einbringen will. 

Fazit

Es gilt die alte Juristen-Weisheit: Jeder Fall ist anders. Insofern muss im Fall eines schädigenden Ereignisses stets zur Meldung an die zuständige Unfallversicherung geraten werden. Im Streitfall müssen dann die Sozialgerichte klären, ob GUV-Schutz bestanden hat oder nicht.

Quelle/Text: Dr. jur. Kurt Kreizberg

Urteil: Lesen Sie auch »Sturz in der Dusche, ein Arbeitsunfall?« >>

Über den Autor

Dr. jur. Kurt Kreizberg
Rechtsanwalt in Solingen
seit 2013: Lehrbeauftragter für Arbeits- und Sozialrecht an der FOM Essen
seit 2016: Autor des Loseblatt-Kommentars (Carl Heymanns Verlag)
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