Fachbeitrag  Arbeitssicherheit  

Gesetzeskonformer Arbeitsschutz im Unternehmen – Teil II: Kernelemente einer Arbeitsschutzorganisation

Von der wiederkehrenden Prüfung, über Gefährdungsbeurteilungen und Schulungen bis hin zu einem integrierten Managementsystem: Das sind die wesentlichen Bausteine einer gesetzeskonformen Arbeitsschutzorganisation.

 

Wiederkehrende Prüfungen

Regelmäßig durchgeführte wiederkehrende Prüfungen sind ein weiteres wesentliches Element auf dem Weg zu einem gesetzeskonformen Betrieb. Ihre Notwendigkeit folgt unmittelbar aus dem gesetzlichen Regelwerk oder aus Auflagen (Nebenbestimmungen) erteilter Genehmigungen. Es kommt nicht selten vor, dass die Auflagen in Genehmigungen gegenüber den Regelwerken verschärft werden. Es werden Prüfintervalle gekürzt oder die Ansprüche an die Qualifikation der Prüfer werden erhöht. Ist die Genehmigung erst einmal rechtskräftig, so wird sich jede Behörde schwertun, einen Schritt zurück zu den in den Gesetzen geforderten Regelungen zu gehen.

Eine EDV-gestützte Organisation der wiederkehrenden Prüfungen ist wegen der Vielfalt der Auflagen selbst für mittlere und kleine Betriebe erforderlich. Beispielhaft sind im Folgenden einige Objekte zusammengestellt, die regelmäßig geprüft werden müssen.

Anlagen: Aufzugsanlagen, Lüftungsanlagen, Kälteanlagen, Wärmeträgeranlagen, Abzüge in Laboratorien, Dampfkesselanlagen, Gasbündel-Reduzierstationen, Gaswarnanlagen, Rauch- und Wärmeabzugsanlagen, WHG/VAWS-Anlagen beziehungsweise LAU/HBV-Anlagen, Löschanlagen, Lageranlagen, Tankanlagen, Füllstellen.

Maschinen: Zentrifugen, Waagen, kraftbetätigte Tür- und Toranlagen, Hubsteiger, Flurförderfahrzeuge, Fahrzeuge und Anhänger.

Arbeitsmittel, Werkzeuge: Leitern und Tritte, Schweißgeräte, Krananlagen, Schläuche, Absturzsicherungen.

Apparate/Elektro: Druckbehälter, -geräte, Rohrleitungen, Überladebrücken, Hebebühnen, Regale, Transportgebinde, Brandschutzklappen, Sicherheitsventile, Brandmelder, Brandmeldeanlagen, Flammenschutzfilter, Sicherheitsschränke, Blitzschutzanlagen, Erdung, elektrische Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen, ortsfeste Anlagen nach BGV A 3, ortsveränderliche Anlagen nach BGV A 3, Sicherheitsbeleuchtung, Sicherheitsstromversorgung, Temperaturmessungen, Druckmessungen, Durchflussmessungen, Überfüllsicherungen, nicht unterbrechbare Spannungsversorgung, Personenschutzanlagen.

Prüfmittel: Prüfgeräte aller Art zur Prüfung, sogenannte Muttergeräte.

Spezialitäten: Erst-Prüfung von Neuanlagen, Prüfung nach Reparaturen und Modifikationen.

Selbst wenn ein funktionierendes EDV-System vorhanden ist, so bleibt die effiziente Organisation der Prüfungen eine ständige Herausforderung. Viele der zu prüfenden Teile müssen außer Betrieb gesetzt werden, beispielsweise Druckbehälter und Rohrleitungen. Ein temporärer Betriebsstillstand einmal im Jahr kann sich durchaus lohnen. Möglichst viele Prüfungen werden auf diesen Termin konzentriert, zu dem dann auch geplant Modifikationen und aufschiebbare Reparaturen ausgeführt werden können.

Die Prüfungen haben in der Regel durch sogenannte »Befähigte Personen« zu erfolgen. Ihre Qualifikation definiert sich durch eine entsprechende Ausbildung, Erfahrung und zeitnahe berufliche Tätigkeit. Meistens ist eine Ausbildung zum Industriemechaniker oder Elektriker mit regelmäßiger Fortbildung ausreichend. Für die spezielle Kategorie der »Überwachungsbedürftigen Anlagen« hat die Prüfung durch eine »Zugelassene Überwachungsstelle (ZÜS)« nach der Betriebssicherheitsverordnung zu erfolgen. Dabei ist dann nicht die Qualifikation einer Einzelperson gefragt, sondern die einer Organisation bzw. eines Unternehmens. Überwachungsbedürftige Anlagen sind beispielsweise Dampfkesselanlagen, Druckbehälter, Aufzüge, Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen.

Gefährdungsbeurteilungen: Kernelement des Arbeitsschutzes

Die Gefährdungsbeurteilung wird formal im Arbeitsschutzgesetz und der Unfallverhütungsvorschriften »Grundsätze der Prävention« gefordert. Sie ist ein Kernelement für sicheres Vorgehen im Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz.

Die Gefährdungsbeurteilung ermittelt die Gefahren und mündet in eine anschließende Risikobewertung. Daraus leiten sich eventuelle Korrekturmaßnahmen ab. Das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung ist zwingend zu dokumentieren.

Alle Arbeitsbereiche und Tätigkeiten zu erfassen, sowie die Gefahren vollständig zu ermitteln, ist ein Ziel, dem man sich nur durch eine systematische Vorgehensweise annähern kann. Es ist vorteilhaft, die Organisation der Umsetzung klar an einen fachkundigen eigenen Mitarbeiter oder einer Fachfirma zu delegieren. Beide beherrschen die Methodik, organisieren und leiten die erforderlichen Besprechungen und dokumentieren das Ergebnis. Verantwortlich bleibt jedoch letztlich der Leiter der betreffenden Einheit, er bedient sich des Wissens unter Zuhilfenahme von firmeninternen oder -externen Experten.

Ein Eigentor schießt, wer Gefährdungen und Risiken ermittelt, jedoch nicht zeitnah für die Umsetzung der daraus folgenden Maßnahmen besorgte. Eine Gefährdung wurde nachweislich erkannt, jedoch nicht behoben!

Unterweisungen und Schulungen aller Beschäftigten

Nach dem Arbeitsschutzgesetz (§12 Unterweisung) hat der »Arbeitgeber [...] die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit während ihrer Arbeitszeit ausreichend und angemessen zu unterweisen. [...] Die Unterweisung muss

- bei der Einstellung,
- bei Veränderungen im Aufgabenbereich,
- der Einführung neuer Arbeitsmittel oder einer neuen Technologie

vor Aufnahme der Tätigkeit der Beschäftigten erfolgen«. In weiteren Regelungen (z. B. BGV A1/DGUV-Vorschrift 1 - Grundsätze der Prävention) wird präzisiert, dass mindestens einmal jährlich unterwiesen werden muss und dass die Unterweisung zu dokumentieren ist. Die konkrete Ausgestaltung und Qualität bleiben offen.

Die Unterweisungen richten sich an mehrere Zielgruppen. Dazu zählen:

- die jährliche (Sicherheits-) Unterweisung für alle Beschäftigten,
- die Unterweisung bei Einstellung/Veränderungen,
- die Unterweisung beim Einsatz von Fremdfirmen sowie
- die fachlichen Unterweisungen für Arbeitsmittel, Verfahren und Techniken.

Dabei umfasst die Begrifflichkeit »alle Beschäftigten« auch sämtliche Büroarbeitsplätze, einschließlich Vertrieb und oberes Management. Diese produktionsfernen Bereiche einmal jährlich zu unterweisen, erweist sich in der Praxis oftmals als Herausforderung, da die Überzeugung für die Notwendigkeit vielfach nicht gegeben ist, beziehungsweise dort die Prioritäten anders gesetzt werden. Ein Tipp: In diesem Falle lassen sich gute Erfolge mit einem mandatorischen E-Learning-Kurs »Sicheres Arbeiten im Büro« erzielen.

Einfacher gestaltet sich die Unterweisung bei Neueinstellungen. Ebenso wie für neue Fremdfirmenmitarbeiter kann hier ein auf das Unternehmen zugeschnittener Sicherheitsfilm gezeigt werden.

Die fachliche Unterweisung für Arbeitsmittel, Verfahren und Techniken wird von den Produktionsbetrieben in der Regel durchgeführt. Umfang und Qualität der Dokumentation sind jedoch von Betrieb zu Betrieb sehr unterschiedlich.

Organisation, Durchführung und Dokumentation funktionieren am besten, wenn sie von einer zentralen Stelle koordiniert werden.

Regelmäßige Kontrollen durchführen

Vorgesetzte sind nicht allwissend und können auch nicht immer und überall vor Ort sein. Daher tragen die Mitarbeiter Verantwortung, die sie nach sorgfältiger Auswahl hinsichtlich Ausbildung und Eignung übertragen bekommen haben.

Ihre Arbeit muss allerdings überwacht werden. Das Instrument der Wahl ist die regelmäßige Stichprobe. Sollte es in einem Streitfall vor Gericht gehen, zählt der »Urkundenbeweis«, demnach sollte die Stichprobe unbedingt dokumentiert werden.

In der Praxis führen Vorgesetzte häufig Stichprobe durch, ohne dass diese als »Kontrollgänge« angekündigt wurden.

Einige Beispiele für diese unangekündigten Stichproben sind:

Regelmäßige Begehungen: Bei einer Begehung wird der Zustand von Anlagen in Augenschein genommen, damit erfolgt eine Kontrolle vor Ort, zum Beispiel mit Schwerpunkt »Sicherheit, Ordnung, Sauberkeit (SOS)«. Einen noch offizielleren Charakter erhält die Begehung, wenn Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit an den Begehungen teilnehmen.

Bericht der Beauftragten: Der Verantwortliche für einen Bereich kann und sollte sich regelmäßig von den bestellten Beauftragten (siehe oben) berichten lassen. Er erhält sozusagen ein Gutachten über den Zustand im jeweiligen Bereich durch einen Experten, der aufgrund seiner Eignung ausgewählt wurde.

Wiederkehrende Prüfungen: Werden die zu prüfenden Anlagen mit einer Prüfplakette versehen, so lässt sich die Einhaltung von Fristen gleich bei den regelmäßigen Begehungen überprüfen. Bei größeren Anlagen müssen die Prüfprotokolle gezielt zusammengestellt werden. Fehlt die eigene Expertise, so können diese Stichproben auch an geeignete Fachfirmen vergeben werden.

Routinegespräche mit Mitarbeitern: In Routinegesprächen mit den direkten Mitarbeitern werden die aktuell laufenden Aktivitäten besprochen. Der Vorgesetzte versucht sich ein umfassendes Bild über das Geschehen zu machen. Defizite im gesetzeskonformen Handeln sollte der Mitarbeiter offen benennen, schließlich ist eine Pflichtendelegation auf ihn erfolgt. Er hat jedoch die Gelegenheit, die Verantwortung mit seinem Vorgesetzten zu teilen, sie demzufolge »nach oben« zu delegieren. Ist das Verhältnis zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem vertrauensvoll, wird auch die Dokumentation des Gespräches wenig problematisch sein.

Auch ein jährliches Mitarbeitergespräch sowie geeignete Zielvereinbarungen dokumentieren, dass die Mitarbeiter unterstützt und gleichzeitig überwacht werden, insbesondere wenn es gelingt, geeignete Ziele zu definieren, zum Beispiel die vollständige Umsetzung aller notwendigen Schulungen, Reduzierung von Unfallzahlen, Aufbau und Zertifizierung eines Managementsystems.

Integriertes Managementsystem aufsetzen

Wurden Managementsysteme eingeführt und erfolgreich zertifiziert, so haben die Verantwortlichen damit demonstriert, dass sie ihrer Verantwortung gerecht werden wollen. Es bietet sich ein integriertes System aus DIN ISO 9001 (Qualität), 14001 (Umwelt) und OSHAS 18001 (Arbeits- und Gesundheitsschutz) an. Auf systematische Art und Weise werden die Abläufe verbindlich beschrieben und die Verantwortlichkeiten festgelegt. Es werden Ziele formuliert und es wird ein kontinuierliches Verbesserungssystem in Gang gesetzt. Von unabhängiger Stelle wird schließlich bescheinigt, dass das Unternehmen zumindest die formalen Voraussetzungen erfüllt. Wenn die Systeme aktiv gelebt werden, führen Sie tatsächlich sukzessive zu einem höheren Niveau.

Elemente eines integrierten Managementsystems

Sollte trotz aller Systematik und Anstrengungen ein folgenschweres Ereignis geschehen, so können die Verantwortlichen belegen, dass es erklärte Absicht des Unternehmens war, einen gesetzeskonformen Betrieb zu gewährleisten. Ein funktionsfähiges und vor allem gelebtes Managementsystem ist somit der Königsweg zum (weitgehend) gesetzeskonformen Betrieb.

Die Regelungen zum Arbeits-, Umwelt- und Gesundheitsschutz sind mittlerweile so umfangreich, dass sich der Zustand »100 Prozent Compliance« nur mit möglichst großer Annäherung erreichen lässt. Es schälen sich jedoch bestimmte Kernelemente heraus, die aus der Sicht des Praktikers beleuchtet werden. In vielen Betrieben gibt es bereits Ansätze, die nur noch vervollständigt und besser dokumentiert werden müssen.

Ein integriertes Managementsystem mit den Elementen Qualität, Umwelt-, Arbeits- und Gesundheitsschutz verbindet diese Elemente in idealer Weise, muss allerdings aktiv gelebt werden. Betriebe auf dem Weg dahin können bereits durch die Umsetzung und Verbesserung einzelner Kernelemente wesentliche Schritte zum gesetzeskonformen Betrieb gehen.

Text/Autoren: Dr. Norbert Kalkert, Holzminden; Dr. Joachim Kochta, Leiter Sicherheit und Planung, TESIUM GmbH, Holzminden
Foto: © industrieblick - Fotolia.com


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